Newsletter Italien Mai 2025
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Menschenrechte ohne Grenzen e.V.

Newsletter Italien

Neues von der EU-Außengrenze

Mai 2025

10-12 Quadratmeter, ein festgeschraubter Tisch, der gerade einmal den Durchmesser der Länge eines Unterarmes hat, ein völlig aseptisches Setting für vier Personen, die hier ggf. bis zu 180 Tage verbringen müssen. Auch in der EU nicht ungewöhnlich für ein Hochsicherheitsgefängnis. Neu ist jedoch, dass es sich um die erste ausgelagerte Abschiebungshaft in der EU, betrieben von der italienischen Regierung, in Albanien handelt. Die Einrichtung der im europäischen Pakt vorgesehenen Grenzzentren zur Durchführung eines beschleunigten Asylverfahrens - als solches sind auch die Zentren in Albanien entstanden - ist in Italien derzeit gescheitert. Um die hohen Kosten des Baus der albanischen Zentren zu rechtfertigen, aber auch, um die Durchsetzung der Abschiebungen in sog. sichere Herkunftsstaaten dennoch zu forcieren, wurden diese kurzerhand umgewandelt. Auf den Straßen finden immer mehr Razzien und Polizeikontrollen statt, um Menschen in Abschiebungshaft zu verbringen, die italienische Regierung benötigt Erfolge. Dies führt zu absurden Posts des italienischen Innenministeriums: das Gesetz zur Umwandlung der Zentren in Albanien in eine Abschiebungshaftanstalt sei eine “strategische und innovative Entscheidung der Regierung, auf die viele europäische Länder mit Aufmerksamkeit blicken und die Italiens Perspektive stärkt, Migrationsströme geordnet, sicher und effektiv zu steuern.” Wir sprechen von ca. 96 Plätzen in einem abgelegenen Hochsicherheitsgefängnis, in das Menschen aus anderen italienischen Abschiebungshaftzentren verlegt werden. Ob sie abgeschoben werden können, ist gar nicht klar. Doch Wähler*innen müssen beruhigt werden. Fakt ist, dass mehrere unangekündigte Besuche von Parlamentarier*innen deutlich gemacht haben, wie schlecht es um die Inhaftierten in italienischen Abschiebungshaftanstalten steht. Selbstverletzungen und Selbstmordversuche sind an der Tagesordnung, ebenso Revolten der Inhaftierten. Letztere können jedoch nun mit schweren Strafen geahndet werden, wie es das neue Sicherheitsdekret der Regierung vorsieht.


Dieses wartet derzeit auf seine Verabschiedung als Gesetz und enthält Maßnahmen, die die Räume für Freiheit und Dissens in besorgniserregender Weise einschränken. Zu den Neuerungen gehören die Umwandlung von Verwaltungssanktionen in Straftatbestände sowie die Einführung neuer Straftatbestände. Insbesondere werden die Strafen für Personen verschärft, die innerhalb von Gefängnissen oder Rückführungszentren (CPR) protestieren: Aufstände, Sachbeschädigungen oder auch nur passiver Widerstand können nun als Straftaten geahndet werden – mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.
Es handelt sich um einen Mechanismus, der den Widerstand selbst unter Bedingungen der administrativen Haft illegalisiert – also in Situationen, in denen der Freiheitsentzug nicht auf einer strafrechtlichen Verurteilung beruht.


Das Dekret betrifft nicht nur Migrant*innen, sondern richtet sich unter dem Vorwand der Sicherheit gegen jede Form von Widerstand: von Einschränkungen bei der Aufnahme über die Stärkung der Befugnisse der Ordnungskräfte in den Städten bis hin zu neuen Regelungen, die Räumungen und die Repression von Wohnungsbesetzungen erleichtern. Auch studentische oder ökologische Proteste könnten im Namen der öffentlichen Ordnung ins Visier geraten. Wer auf die Straße geht, demonstriert, einen verlassenen Ort besetzt, um dort zu leben oder ein soziales Zentrum zu schaffen, läuft Gefahr, als Sicherheitsproblem behandelt zu werden – und nicht als Stimme, die es zu hören gilt.


Somit betrifft das Sicherheitsgesetz alle Bürgerinnen und Bürger und gefährdet das Recht auf Meinungsäußerung jener, die widersprechen, die sich nicht anpassen, die schlichtweg die Erzählung von „Anstand“ und „Sicherheit“ stören.

Foto: This Jungo Life

Das neue Streiflicht Italien ist da!

Verlorene Leben - unerzählte Geschichten

„Was, wenn du nicht weisst, ob sie noch leben? Es ist, als ob der Tod nie ganz abgeschlossen ist.“ – Ehefrau eines Vermissten

Es ist eines der schmerzhaftesten Themen an Europas Außengrenzen – und eines der unsichtbarsten:
Was passiert, wenn Menschen auf der Flucht verschwinden?
In unserem neuen Streiflicht „Verlorene Leben – unerzählte Geschichten“ geben wir diesen Menschen und ihren Angehörigen Raum. Es geht um Mariam, die mit ihren Kindern verschwand. Um Jalila, die ihre toten Söhne nach Hause holen wollte – und kämpfte. Um Herrn Waffo, der selbst die Leiche seiner Frau aus dem Wasser ziehen musste.

Und was haben wir damit zu tun?
Wir können und werden nicht akzeptieren, dass Menschen im Meer verschwinden – spurlos, namenlos, vergessen. 
Diese Geschichten gehen unter die Haut. Und sie stellen unbequeme Fragen:
  • Warum gibt es kein System zur Identifizierung der Toten im Mittelmeer?
  • Warum werden manche Leichen registriert – andere einfach vergessen?
  • Warum zählt ein Leben mehr, nur weil es europäisch ist?
In dieser Ausgabe beleuchten wir nicht nur das Systemversagen und persönliche Geschichten, sondern auch den Widerstand: die Spurensuche von Memoria Mediterranea; Protestformen wie CommemorAction, die Trauer in politische Forderung verwandeln; die Praxis der Seenotrettung im Umgang mit den Toten; Friedhöfe ohne Namen – und Familien ohne Abschied.
 
Wir laden Euch mit dieser Ausgabe dazu ein, hinzuschauen, wo sonst weggeschaut wird - und jenen eine Stimme zu geben, die oft keine haben.

Den Link zur Publikation findet Ihr hier: borderline europe - menschenrechte ohne grenzen e.v.

Monitoring Sizilien/Italien

Unsichtbar

Die unwürdige Behandlung von Geflüchteten in Sizilien

Das Monitoringprojekt zur Situation von Geflüchteten in Sizilien und Italien mit dem Arci Porco Rosso konnten wir dank der Unterstützung der Evangelischen Kirche im Rheinland auch im Jahr 2025 fortsetzen. Die Ergebnisse unserer täglichen Recherchen sind in unserem Newsletter “Scirocco” und unseren Artikeln festgehalten.

Anfang des Jahres hat unser Partner in dem Artikel „Wenn Diskriminierung in Krankenhäusern Einzug hält“ auf eine besorgniserregende xenophobe Tendenz hingewiesen, die einige Krankenhausärzt*innen betrifft. Diese melden Patient*innen ohne Aufenthaltserlaubnis den Behörden – ein Verhalten, das gegen die medizinische Ethik, die geltenden Vorschriften und das universelle Recht auf Gesundheit verstößt. In einem zunehmend feindlichen gesellschaftlichen Klima führt diese Praxis dazu, dass viele Migrant*innen aus Angst vor Abschiebung medizinische Versorgung meiden – mit schwerwiegenden Folgen für die individuelle und kollektive Gesundheit.

Der Artikel „Ein weiterer Notstand im Abschiebungsgefängnis Trapani/Milo: Überleben unter Bedingungen von Gewalt und Angst“ schildert die dramatische Lage im CPR von Trapani Milo, wo unmenschliche Zustände, Gewalt und fehlende Sicherheit im vergangenen März zu Protesten führten. Die gesammelten Zeugenaussagen beschreiben ein Klima der Angst und des Verlassenseins, mit häufigen Gewalttaten, bei denen die Behörden den Schutz der Inhaftierten nicht gewährleisten.

Der Winter 2024 hat in Palermo eine gravierende Krise im Bereich der Unterbringung offengelegt. Im Artikel „Palermo und die Krise der Obdachlosigkeit Migrant*innen auf der Straße” wird die Situation insbesondere für obdachlose Migrant*innen beschrieben. Bis 2020 bot die Stadt eine inklusivere Aufnahme an, doch mit der Pandemie und dem Amtsantritt einer rechten Stadtregierung im Jahr 2022 wurden die politischen Maßnahmen verschärft: Die Zahl der Schlafplätze in Notunterkünften wurde reduziert, irreguläre Migrant*innen werden nicht aufgenommen oder häufig den Ausländerbehörden gemeldet. Der Mangel an sicheren Unterkünften setzt vor allem Frauen und besonders schutzbedürftige Personen dem Risiko von Missbrauch und sozialer Isolation aus, während die Institutionen ein besorgniserregendes Maß an politischem Desinteresse gegenüber dieser Notlage zeigen.

Monatliches Kurzupdate

Scirocco

Politische Entwicklungen in Italien

In unserem Kurzupdate „Scirocco“ geben wir regelmäßig einen Überblick über die aktuellen politischen Entwicklungen in Italien. In den vergangenen Monaten – Februar, März und April 2025 – zeigen sich vor allem diese wiederkehrenden Themen:

Umsetzung des Italien-Albanien-Deals
Die italienische Regierung hat bereits drei Mal versucht, im Mittelmeer gerettete, nicht-vulnerable Schutzsuchende aus sicheren Drittstaaten in Grenzzentren in Albanien unterzubringen, um diese in beschleunigten Asylverfahren innerhalb eines Monats direkt in das entsprechende Herkunftsland zurückzuschicken. Doch bis April 2025 sind alle Versuche gescheitert. Ende Januar bestätigte das Berufungsgericht Rom die Inhaftierung von 43 Personen nicht, sondern verwies den Fall an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Während der EuGH bereits in seiner Entscheidung von Oktober 2024 klar stellte, dass ein Land nur als “sicher” gelten kann, wenn es in allen Teilen seines Hoheitsgebiets für alle Personengruppen sicher ist, steht eine weitere Entscheidung zum Vorrang von europäischem vor nationalem Recht in Bezug auf die Festlegung “sicherer Herkunftsländer” noch aus - statt wie erwartet im Mai soll das Urteil erst im Oktober verkündet werden. Um die blockierenden Entscheidungen italienischer Gerichte zu umgehen, wandelte die Meloni-Regierung die ursprünglich für Asylschnellverfahren vorgesehenen Zentren in Albanien kurzerhand in Abschiebungshaftzentren (CPR) um. Am 11. April wurden erstmals 40 Personen aus CPRs nach Albanien verlegt. Zu den unmenschlichen Bedingungen in der Abschiebungshaft in Albanien, den rechtlichen Problematiken und näheren Informationen zur Umsetzung des Italien-Albanien-Protokolls siehe unsere letzte Ausgabe und unseren letzten Artikel.

Situation in Libyen und die Elmasry-Affäre
Osama Njeem Elmasry, libyscher Polizeichef, dem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden, wurde am 19. Januar in Turin auf Grundlage eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) verhaftet. Doch die italienischen Behörden entschieden ihn freizulassen und ermöglichten es ihm, nach Libyen zurückzukehren – begründet wurde diese Entscheidung von offizieller Seite mit formalen Verfahrensfehlern, während zeitgleich Verhandlungen mit der Dbeiba-Regierung in Tripolis über den Kauf libyschen Öls stattfanden. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag ermittelt nun gegen die italienische Regierung wegen möglicher Verstöße gegen die Pflicht zur internationalen Zusammenarbeit. Weitere Informationen dazu finden sich in unserer Februar-Ausgabe. Mittlerweile hat sich die Situation in Libyen gewandelt: Während Mitte Mai in Tripolis Kämpfe zwischen den verschiedenen Milizen ausgebrochen sind, will Abdul Hamid Dbeiba, Premierminister der einzigen international anerkannten Regierung, Elmasry an den IStGH ausliefern lassen. Dies könnte sich auch auf Italien auswirken, wenn der Angeklagte gegenüber dem IStGH aussagt. Seit Jahren arbeiten die italienische Regierung und die EU eng mit der Regierung in Tripolis zusammen – insbesondere durch Abkommen zum „Grenzschutz“, welche die Inhaftierungen und das Leid der Migrant*innen in Libyen zu einer politischen Strategie machen.

Proteste für Aufenthaltstitel
Im Frühjahr kam es in mehreren Regionen Italiens zu Protesten. Im März protestierten Dutzende Migrant*innen sowohl in Foggia, in Perugia und auch in Mailand gegen die „diskriminierenden Gesetze und Praktiken“, die Millionen ausländische Arbeitskräfte betreffen. Den Demonstrierenden ging es vor allem um die bürokratischen Verzögerungen bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen – einige warten bereits seit Jahren. Auch in Ancona demonstrierten im April Hunderte Menschen – darunter viele Migrant*innen und solidarische Unterstützer*innen – gegen die langen Wartezeiten bei der Ausstellung von Aufenthaltstiteln. Ein Demonstrant beschrieb die andauernde Unsicherheit im März so: „Kommen Sie in zehn Tagen wieder, sagen sie ihnen, aber diese zehn Tage sind seit acht Jahren nicht vergangen.“

Foto: K. Millona

Monitoring extended

Geflüchtete im Libanon

Eine Reise auf die andere Seite des Mittelmeeres

Seit Mai 2024 teilt Anja Pilchowski, teils in Zusammenarbeit mit Ahmad Ibrahim, Impressionen zur Situation von Geflüchteten im Libanon, einem Land, das sehr viele Geflüchtete aufgenommen hat und von dessen Küsten ebenfalls Boote starten, mit borderline-europe. Pilchowski ist Sozialarbeiterin mit M.A. in International Social Work with Refugees and Migrants. 

Der letzte Artikel von Anja Pilchowski, verfasst im April 2025 und derzeit nur auf Englisch verfügbar, ist das Ergebnis mehrerer Gespräche mit syrischen Geflüchteten und schildert deren Lebensbedingungen im Libanon.
Der Artikel beschreibt die Lage der Syrer*innen im Libanon nach dem 8. Dezember 2024, dem Tag des Sturzes des Regimes von Baschar al-Assad. Trotz dieses historischen Ereignisses bleibt die politische, soziale und wirtschaftliche Situation in Syrien sehr instabil und ist geprägt von Gewalt, Armut und schweren Menschenrechtsverletzungen.
Ein Wiederaufbau des Landes ist noch in weiter Ferne.

Monitoring extended

Das Machtspiel

Ist die Gewaltenteilung in Gefahr?

Im Januar hat das italienische Abgeordnetenhaus den Vorschlag zur Verfassungsreform über die sogenannte „Trennung der Richter*innenlaufbahnen“ angenommen. Diese Reform hat heftige Proteste seitens der Justiz und der Zivilgesellschaft ausgelöst, da sie die Unabhängigkeit der Justiz von der Politik gefährden könnte.

Unser Artikel mit dem Namen „Das Machtspiel: Wie die italienische Regierung Migration und Justizreformen nutzt, um demokratische Kontrollmechanismen und internationales Recht zu schwächen“ analysiert diese Reform und zeigt, wie auch im Bereich der Migrationspolitik ein Angriff auf die Gewaltenteilung erfolgt. Sowohl die Justizreform als auch die migrationspolitischen Maßnahmen der Regierung sind Teil einer breiteren Tendenz zur Machtkonzentration in den Händen der Exekutive.

Es handelt sich dabei nicht um bloße technische Eingriffe, sondern um alarmierende Signale für den Abbau des demokratischen Prinzips der Gewaltenteilung – mit wachsenden Risiken für die Menschenrechte und die Achtung des Völkerrechts.


Monitoring Italien - EU

GEAS-Implementierung in Sizilien

„Unerwünscht“ – Auslagerung von Grenzverfahren und Verschärfung der Abschieberegelungen in Italien. Ist Widerstand noch möglich?

Das seit September 2024 laufende Projekt wird durchgeführt von den Organisationen borderline-europe und Maldusa und geleitet von der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration. Unterstützt wird es von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKIR), LeaveNoOneBehind und Pro Asyl.

Am 11. März 2025 stellte die EU-Kommission ihren neuen Vorschlag für die Rückführungsverordnung vor. Die Abschiebungsregeln sollen nun erheblich verschärft werden, und erneut ist von sogenannten „Return Hubs“ die Rede. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlägt vor, dass diese Haftzentren für Abzuschiebende auch in Nicht-EU-Staaten eingerichtet werden – in sogenannten „sicheren Drittstaaten“ (Art. 38 der Asylverfahrensrichtlinie).
Kommt also die ‚Albanien-Lösung‘ der italienischen Regierung wieder ins Spiel?
In unserem letzten Artikel haben wir die Frage aufgeworfen, warum Italien so großen Wert auf dieses teure und, wie wir weiter unten sehen werden, schlecht durchdachte Abkommen zwischen Italien und Albanien legt.
Ein erneuter Blick auf die Lage in Italien, insbesondere auf den derzeitigen Stopp der Umsetzung des Italien-Albanien-Protokolls, den direkten Angriff der Regierung auf die Unabhängigkeit der Justiz und die damit verbundenen Herausforderungen für den Rechtsstaat, ist entscheidend, um die jüngsten politischen Entwicklungen der EU in den Bereichen Asyl und Rückführungen zu verstehen. Lesen Sie hier den neuen Artikel.


Monitoring Kriminalisierung: "From Sea to Prison"

Die Kriminalisierung der sogenannten ´Schlepper´

borderline-europe & Arci Porco Rosso

borderline-europe ist Partner des Projekts „DAL MARE AL CARCERE“ (Vom Meer ins Gefängnis), das vom „Sportello Sans Papier“ des Arci Porco Rosso in Palermo initiiert wurde. Das Projekt wird von unserem Bündnispartner United4Rescue gefördert.

Auch im Jahr 2025 unterstützt borderline-europe die Forschungsarbeit zur Kriminalisierung von Migration mit einem besonderen Fokus auf Personen, die beschuldigt werden, die Boote gesteuert zu haben, mit denen Migrant*innen das Mittelmeer überquerten – die sogenannten „Schlepper“ oder „Kapitän*innen“, wie sie im Film „Io Capitano“ des Regisseurs Matteo Garrone aus dem Jahr 2023 genannt werden. Die Untersuchung widmet sich insbesondere den wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise Inhaftierten, die unter deutlich schlechteren Haftbedingungen als ihre italienischen Mitinhaftierten leben. Dies liegt vor allem daran, dass sie unmittelbar nach ihrer Ankunft in Italien festgenommen wurden und über keinerlei soziale Netzwerke im Land verfügen. 

Das Projekt „Dal Mare al Carcere“ bietet kostenlose sozialrechtliche Unterstützung an und fördert Initiativen, die darauf abzielen, den sog. „Schleppern“ einen Kontakt zur Außenwelt zu ermöglichen. Dies geschieht durch den Aufbau eines lokalen Netzwerks, die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und Fachwissen mit verschiedenen sozialen Akteur*innen sowie durch den Aufbau von Kommunikationskanälen mittels Briefwechsel. Zudem arbeiten die beiden Rechtsanwältinnen des Projektes mit den Wahlverteidiger*innen der sog. Kapitän*innen zusammen und unterstützen auch bei der Antragstellung im Asylverfahren und der Regularisierung des Aufenthalts. 

Im Jahr 2025 wurde eine Zusammenarbeit mit dem Team der Organisation „Medici per i Diritti Umani“ (Ärzte für Menschenrechte) begonnen, das in der sizilianischen Provinz Ragusa tätig ist und sich auch psychologisch um die sog. „Kapitän*innen“ kümmert. Das Projekt bietet ihnen rechtliche Schulungen zu den wichtigsten Fragen rund um das Strafdelikt der Beihilfe, zu den Rechten von Verurteilten und Gefangenen und schafft Räume für den Austausch über Einzelfälle zwischen den Projektanwält*innen, den Wahlverteidiger*innen, den Psycholog*innen und Psychiater*innen von MEDU sowie in Zusammenarbeit mit den Sozialarbeiter*innen der Diözesan-Caritas von Ragusa.

Mehr Infos finden sich im aktuellen Bericht des Jahres 2024!

Monatliches Update

Central Mediterranean Info

Entwicklungen auf dem Zentralen Mittelmeer

In unserer monatlichen Central Mediterranean Info (CMI) veröffentlichen wir die von uns erhobenen Daten zur Seenotrettung im zentralen Mittelmeer. Wir berichten über Ankünfte in Italien, Interceptions durch libysche und tunesische Behörden, Todes- und Vermisstenzahlen sowie rechtliche und politische Entwicklungen zur Seenotrettung. Wichtige Entwicklungen aus den CMIs von Februar, März und April 2025 sind folgende:

Zwischen Februar und April 2025 erreichten über 12.000 Schutzsuchende Italien, rund die Hälfte davon im April. NGOs führten zwischen 9 % und 20 % der Rettungen durch, waren jedoch weiterhin politischen und administrativen Hürden ausgesetzt, etwa durch die systematische Zuweisung entfernter Häfen. Zudem setzte Italien die Spionagesoftware “Graphite” gegen Aktivist*innen und Mitarbeitende von NGOs ein (Februar-Ausgabe).

Über 3.700 Menschen wurden in diesem Zeitraum nach Libyen und Tunesien zurückgeschleppt, häufig unter Missachtung internationalen Rechts. In beiden Ländern sind Menschen prekären Bedingungen ausgesetzt. Massengräber in Libyen (Februar-Ausgabe), rassistisch motivierte Gewaltwellen gegen Migrant*innen (März-Ausgabe) und gewaltsame Räumungen provisorischer Lager in Tunesien (April-Ausgabe) belegen dies. Zudem wurde staatlich unterstützer Menschenhandel zwischen Tunesien und Libyen nachgewiesen (März-Ausgabe).


Die Zahl der Toten und Vermissten im zentralen Mittelmeer stieg weiter. Allein im April galten mehr als 190 Menschen als tot oder vermisst. Ursachen sind der Mangel an sicheren Fluchtwegen und die fortgesetzte Externalisierung der EU-Grenzpolitik.

Erstmals muss sich Frontex inhaltlich vor dem EU-Gericht zu Pushback-Vorwürfen verantworten, ein Urteil steht noch aus (April-Ausgabe).


Events von borderline-europe Sizilien

“SEMI” - Samen und "This Jungo Life"


borderline-europe Palermo hat im Frühjahr 2025 zwei Veranstaltungen mitgestaltet:

“SEMI” - Samen - Am 16. Mai fand eine gemeinsam mit der Gambianischen Vereinigung Palermo, den Ragazzi Baye Fall und dem Verein Filimondo organisierte Veranstaltung zur Lebenssituation und der Bedeutung der auf Landwirtschaft basierenden Mikroökonomie für das Einkommen von Familien in Westafrika statt.
Persönliche Erfahrungen aus der eigenen Migrationsgeschichte ergänzten den gut besuchten Abend.

“This Jungo Life” - David Fedele und die Jungos in Rabat, Marokko. Gemeinsam mit dem Arci Porco Rosso hat borderline-europe am 25. Mai eine Filmvorführung und anschließende Diskussion mit David Fedele und David Yambio von Refugees in Libya organisiert. Der Film wurde in Zusammenarbeit mit den Geflüchteten selbst produziert und vollständig mit Mobiltelefonen gedreht. Er bietet einen einzigartigen und intimen Einblick in ihre Erfahrungen, während sie darum kämpfen, sich ein besseres Leben aufzubauen – für sich und ihre Familien, die sie zurücklassen mussten.


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Tel: +39 340 980 21 96 E-Mail: italia@borderline-europe.de
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